Der Letzte Tag Des Salvador Allende

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Der Letzte Tag Des Salvador Allende

Ein Film von Michael Trabitzsch

„Ohne ein Märtyrer zu sein: ich werde keinen Schritt zurückweichen. Sie sollen wissen: ich werde die Moneda dann verlassen, wenn das Mandat erfüllt ist, das mir vom Volk erteilt wurde. Ich habe keine andere Wahl.“ Salvador Allende

Zum Film

In den frühen Morgenstunden des 11. September 1973 bricht der lange erwartete Putsch des chilenischen Militärs unter General Pinochet gegen den drei Jahre zuvor gewählten Präsidenten Salvador Allende los. Allende verschanzt sich mit einigen Getreuen im Präsidentenpalast Moneda. Er weigert sich, auf das Ultimatum der Putschisten einzugehen und abzudanken. In einer letzten Radioansprache wendet er sich noch einmal an die chilenische Bevölkerung. Dann weist er seine Getreuen an, sich zu ergeben. Während das Militär bereits die Moneda stürmt, erschießt sich Salvador Allende in einem Nebenraum.

Regisseur Michael Trabitzsch hat die überlebenden Weggefährten Allendes aufgesucht, die am 11. September an der Verteidigung der Moneda teilnahmen. Aus ihren Erzählungen und beeindruckenden, zum Teil bisher unveröffentlichten Archivaufnahmen entsteht das leidenschaftliche und bewegende Porträt Salvador Allendes jenseits aller Verklärung und ideologischen Vereinnahmung: Ein Mensch in der Revolte, dessen überwältigende Lebenslust die zentralen Werte Würde und Freiheit mit einschließt und der bereit ist, mit dem eigenen Leben dafür einzustehen. “Salvador ist gestorben, das ist wahr”, sagt sein alter Freund Carlos Jorquera. “Aber es ist auch wahr, dass er überlebt hat, mehr als dreißig Jahre.”

Pressestimmen

“Ein sozusagen 'allendischer' Film, voller Trauer um diese zerstörte Hoffnung in der Geschichte, voller unterschwelliger Trauer wohl auch um den Verlust einer politischen Sprache und einer politischen Sprache der Bilder… Einem filmisches Gedicht der Historie, ein Kaddisch für ein romantisches politisches Projekt.” (epd film)

Regiestatement

Salvador Allende und die kurzen Jahre der Unidad Popular


Salvador Allende wird am 26. Juni 1908 in Valparaíso geboren. Der Vater ist Rechtsanwalt, der Großvater Arzt und Senator für die gemäßigt linke Radikale Partei mit einem fast legendären Ruf in Chile. Allende nimmt 1926 das Medizinstudium auf. Daneben engagiert er sich politisch, von der Notwendigkeit sozialer Reformen überzeugt. Er unterstützt Proteste gegen die Diktatur von Ibañez und wird kurzzeitig inhaftiert. Sein Arzt-Praktikum absolviert er im Hospiz von Santiago, tief beeindruckt von den sozialen Misständen und der Armut der dort behandelten Patienten.

“Lateinamerika ist wie ein Vulkan, der explodiert. Die Völker können nicht mehr weiter so vor sich hin vegetieren. Es gibt 140 Millionen Analphabeten in Lateinamerika. Es fehlen 14 Millionen Wohnungen. 70% der Bevölkerung sind nicht ausreichend ernährt. Dabei sind wir potentiell reiche, sogar sehr reiche Völker. Aber unsere Wirklichkeit ist: Arbeitslosigkeit, Hunger, fehlende Kultur, Hoffnungslosigkeit. Die Völker Lateinamerikas haben keine andere Wahl: Sie müssen kämpfen. Wofür? Für ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, um frei zu sein, frei auch in ihren politischen Entscheidungen.” (Salvador Allende)

Aufgrund seiner politischen Einstellung findet Allende zunächst keine Anstellung als Arzt. 1933 ist er an der Gründung der Sozialistischen Partei beteiligt, 1937 wird er zum stellvertretenden Generalsekretär und Parlamentsabgeordneten gewählt. 1938 wird der 31jährige zum Gesundheitsminister ernannt, tritt jedoch nach kurzer Zeit aus Protest gegen die Regierungspolitik zurück. 1945 wird er zum Senator gewählt. Ein Bündnis linker Parteien nominiert Allende 1952 zum ersten Mal als Präsidentschaftskandidaten. Trotz einer verheerenden Wahlniederlage tritt Allende 1958 erneut an, nominiert von der Front der Volksaktion (FRAP), aus der später das Parteienbündnis Unidad Popular hervorgeht. Dieses Mal verliert er nur knapp gegen Alessandri von der Nationalpartei; ebenso wie 1964 gegen den Christdemokraten Frei.

Die Wahlen von 1970


1969 wird Allende zum vierten Mal als Präsidentschaftskandidat aufgestellt, zur Überraschung vieler, die lieber ein neues Gesicht an der Spitze der Unidad Popular gesehen hätten. Allende stürzt sich in die Arbeit. Sein „Katalog der ersten 40 Maßnahmen der Unidad Popular“ wird im Wahlkampf ungeheuer populär: Maßnahmen, die einen sozialen Mindeststandard zum Ziel haben, Alphabetisierung, Landreform, Wohnungsbau, feste Schuhe und der berühmte halbe Liter Milch für alle. Inzwischen hatte auch der christdemokratische Präsident Frei eine Politik der Reformen eingeleitet, beginnend mit Ansätzen zu einer Landreform. Auch er propagiert die Nationalisierung des Kupferbergbaus und der Banken – Berührungspunkte zwischen der Democracia Cristiana (DC) und Allende, die für kurze Zeit Bestand haben werden.

“Am Tag des Wahlsiegs war ich auf den Straßen, ich war auf der Alameda und blieb bis spät in der Nacht. Ich ließ mich mitreißen von den Gefühlen der Menschen und hatte doch eine gewisse Distanz, eine Art berufsbedingter Skepsis, die Ahnung von etwas Furchtbarem, das sich hinter der Freude verbarg.” (Faride Zeran)

Am 4. September 1970 gewinnen Allende und die Unidad Popular die Präsidentschaftswahlen mit einer relativen Mehrheit von 36,3%. Sein Widersacher Alessandri, der Kandidat des Großgrundbesitzes und der USA, kommt auf 35%, der Christdemokrat Tomic, mit dem Allende ein fast freundschaftliches Verhältnis verbindet, wird Dritter. Der Wahlausgang sorgt für große Unruhe in den USA: Zu groß scheint die Gefahr, dass der „chilenische Weg“ auf die anderen Staaten Südamerikas abstrahlen könnte. Immerhin, der Einfluss der USA auf das chilenische Militär ist immens: viele Offiziere wurden unter US-amerikanischer Führung ausgebildet, auch die Ausrüstung stammt größtenteils aus den USA. Ein Putsch scheint eine jederzeit abrufbare Option zu sein. Allerdings erklärt der Oberkommandierende der chilenischen Streitkräfte, General Schneider, öffentlich Verfassungstreue Loyalität gegenüber dem gewählten Präsidenten Chiles. Die CIA wendet sich an den ultrarechten General Viaux und versorgt ihn via Diplomatengepäck mit Waffen und Geld. Noch vor dem Amtsantritt Allendes wird General Schneider während einer obskuren Entführungsaktion erschossen.

Am 3. November 1970 wird Allende als Präsident Chiles vereidigt, gewählt auch von Abgeordneten der DC. Es beginnt die Zeit des Aufbruchs. Die „ersten 40 Maßnahmen“ werden umgesetzt, Wohnsiedlungen und Schulen gebaut, landwirtschaftliche Genossenschaften gegründet. Schon bald sieht sich Allende jedoch zwei großen Problemen gegenüber: zum einen der Widerstand der reichen Elite, die sich ihre Privilegien nicht beschneiden lassen will; zum anderen die Ungeduld der eigenen Basis. Illegale Landbesetzungen, schon seit 1968 von der MIR, dem militanten Flügel der Unidad Popular unterstützt, kollidieren mit dem Bestreben der Regierung, übereignetes Land geordnet in landwirtschaftliche Kooperativen einzubringen. Zudem weigern sich etliche der plötzlich zu Land gekommenen Kleinbauern, ihren Besitz in die Kooperativen einzubringen. Allende reagiert mit der Verlegung des Landwirtschaftsministeriums in die Krisenregionen. Unermüdlich wirbt er für seine Politik des maßvollen Umbruchs, zunächst mit Erfolg: Die Lage beruhigt sich, die landwirtschaftliche Produktion wächst. Doch der Kern des Konflikts bleibt. In der Industrieproduktion erwächst ein ähnliches Problem: in vielen der verstaatlichten Betrieben werden die sozialen Forderungen der Arbeiter durch die ökonomische Realität nicht gedeckt. Wilde Betriebsbesetzungen kommen dazu, der Mittelstand ist nachhaltig verunsichert.

“Es war die Zeit der Solidarität. Wenn man heute von diesen drei Jahren Allendes spricht, dann bedeutet das, von einer Zeit der Werte, der Hingabe und der Solidarität zu sprechen. Wir waren niemals so frei wie in diesen drei Jahren. Wir waren niemals so glücklich wie in diesen drei Jahren. Es war, als könnten wir den Himmel mit unseren Händen berühren.” (Faride Zeran)

Geschürt wird die Unruhe im Land durch gezielte Propaganda der Rechten. Mit dem auflagenstarken Mercurio an der Spitze fahren die rechten Medien eine offene Kampagne gegen den Präsidenten, angeleitet von State Department und CIA. Gezielt werden Falschinformationen gestreut, um Allende in Misskredit zu bringen und Unruhe in der Bevölkerung zu schüren. Die linken Medien reagieren mit oft gewalttätiger Rhetorik und vertiefen so den Graben, der sich durch die chilenische Gesellschaft zieht.

Aufstand der Kochtöpfe und Selbstorganisation


Die wirtschaftliche Lage verschärft sich dramatisch, als plötzlich der Weltmarktpreis des für Chile so wichtigen Kupfers verfällt. Die Rechte hat sich mittlerweile organisiert, die Terrororganisation Patria y Libertad überzieht das Land mit Anschlägen und Sabotageakten. Dem gegenüber beginnt sich auch die Basis der Regierung in den Arbeitersiedlungen der Vorstädte in Milizen zu organisieren. Die Bereitschaft zum Putsch innerhalb des chilenischen Militärs nimmt zu. Aber noch finden sich die putschwilligen Offiziere nicht in den höchsten Posten. Im Oktober 1972 eskalieren die von der rechten Opposition initiierten Proteste, die mit Demonstrationen gegen die zunehmend schlechte Lebensmittelversorgung in den Großstädten begonnen haben. Dem landesweiten Streik der Lastwagenfahrer schließen sich Regierungsgegner anderer gesellschaftlicher Sektoren an. Gegen die arbeitswilligen LKW- und Busfahrer und die Händler, die ihre Läden offen halten, gehen Mitglieder von Patria y Libertad mit Brandbomben vor. Das Land liegt lahm. Auch die DC hat sich in weiten Teilen den Boykotteuren angeschlossen.

Die Situation eskaliert. Patria y Libertad weitet die Aktionen aus und zerstört Pipelines, Eisenbahnstrecken und Straßen. Die Kommandos der linken MIR antworten mit Gewalt. Im Land entstehen kurzzeitig zwei Versorgungssysteme: Während die CIA die streikenden Lastwagenfahrer und Händler über brasilianische Kanäle mit Geld versorgt, helfen Freiwilligen-Einsätze der MIR, der Betriebskomitees, von Arbeitern und Studenten, die Wirtschaft am Überleben zu halten. Produktion, Transport, Gesundheits- und Lebensmittelversorgung werden so in quasi außerstaatlichen Strukturen organisiert.

Konsolidierung und Märzwahlen


Am 1. November 1972 reagiert Allende mit einem unerwarteten politischen Schachzug: General Prats, der Oberbefehlshaber der chilenischen Streitkräfte, wird zum Innenminister ernannt, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung wird Aufgabe des Militärs. Der Boykott ist gebrochen, die Vorstädte feiern ihren Sieg. Die für den Moment in die Schranken verwiesen Opposition kennt nun ihren Hauptgegner: die organisierten, zum Teil bewaffneten Strukturen der Unidad Popular-Basis vor allem in den Vorstädten und Industriegebieten. Der Mitttelstand aber, der so dringend für die Verwirklichung der Reformen benötigt wird, hat sich endgültig von Allende abgewandt.

“Die Situation hat sich von 1970 bis 1973 immer mehr zugespitzt. Die Polarisierung wurde größer an größer. An meiner Universität war es nicht mehr möglich, dass linke und rechte Studenten zusammen essen. Die Mensa wurde durch eine Wand getrennt, auf der einen Seiten haben die rechten Studenten gesessen und auf der anderen Seite wir Linken.” (Osvaldo Puccio)

Anfang 1973 hat sich die Lage in Chile normalisiert, trotz der zunehmenden Anschläge durch Patria y Libertad. Bei den Parlamentswahlen im März 1973 legt die Unidad Popular auf 45% der Stimmen zu. Allende geht auf Reisen, um internationale Unterstützung zu gewinnen. In New York hält er seine legendäre Rede, die mit stehenden Ovationen bedacht wird – handfeste Hilfe aber bekommt er nicht. Moskau, Peking und Algerien sind weitere Stationen der Reise, aber auch hier erhält Allende nur einen geringen Teil dessen, was er sich erhofft hat. „Ich kehre zurück mit einem Dolch im Rücken“, sagt er bei seiner Rückkehr nach Santiago de Chile.

Der Juni-Putsch


In der Folgezeit nehmen die sozialen und wirtschaftlichen Spannungen wieder zu. Allende drängt auf eine Verständigung mit der DC, kann sich innerhalb der Unidad Popular aber nicht durchsetzen. Am 29. Juni kommt es zum Putschversuch eines Panzerregiments in Santiago de Chile. Die Bewohner des Industriegürtels gehen mit Knüppeln und wenigen Schusswaffen auf die Straßen. Die führenden Militärs verweigern dem Putsch ihre Unterstützung.

Nach dem Scheitern des Juniputschs geht die Regierung mit einem Gesetz gegen die illegalen Waffen vor. Während die Entwaffnung der Vorstädte durch das Militär in groß angelegten Razzien vor sich geht, werden die Anhänger der Patria y Libertad weitgehend verschont. Im Parlament sieht sich Allende nun einer geschlossenen Front von Rechtsparteien und DC gegenüber, die sämtliche Initiativen der Regierung blockiert. Auch als Allende den Ausnahmezustand ausrufen will, wird ihm dies verweigert.

“Es heißt, hinter jedem großen Drama steckt immer ein Verrat. In diesem Fall trifft das perfekt zu. Denn derjenige, der Allende die Treue geschworen hat, läutet den Schluss des Dramas ein.” (Faride Zeran)

In der Armeeführung zunehmend isoliert, tritt General Prats am 23. August vom Posten des Oberkommandierenden zurück. Mit Zustimmung Allendes wird General Augusto Pinochet zum Nachfolger bestimmt. Pinochet ersetzt umgehend regierungstreue Offiziere durch putschbereite Militärs. Nachdem die Opposition eine Verfassungsklage gegen die Regierung eingebracht hat, wird dem nun fast unausweichlich scheinenden Putsch ein Anstrich von Legalität verliehen.

Allendes letzte Karte


Allende versucht in Verhandlungen mit der DC, wenigstens einen Rest der Reformen zu retten und den Putsch durch eine große Koalition mit den Christdemokraten zu vermeiden. Während einige Parteiführer wie Tomic gesprächsbereit sind, bleiben Frei und Aylwin hart: keine Einigung mit der Unidad Popular. Währenddessen nimmt der Terror durch Patria y Libertad weiter zu: 1.500 Anschläge, 10 Tote und 117 Verwundete verzeichnet die Bilanz der letzten Wochen.

“Psychologisch gesehen, war ich in diesen Tagen bereits tot. Ich erwartete nichts anderes mehr. 15 Tage vor dem Putsch hatten wir ein Treffen mit Salvador Allende. Er erklärte uns, dass ein Militärputsch kommen würde und dass es dann unsere Audgabe sein würde, zur Moneda zu fahren und diese als Institution des Volkes zu verteidigen. In dieser Zeit würde sich das Volk mobilisieren, um für die Regierung zu kämpfen.” (Juan Osses)

Am 4. September, dem dritten Jahrestag des Wahlsiegs, versammeln sich noch einmal über eine Million Menschen zur Kundgebung in Santiago de Chile. Zwei Tage später versucht Allende noch einmal vergeblich, die Führung der Unidad Popular zu weitgehenden Kompromissen mit der DC zu veranlassen. Als letzter Ausweg bleibt Allende die Idee des Plebiszits: Er möchte sich von der Bevölkerung als Präsident bestätigen lassen, um Unidad Popular und DC wieder an der Verhandlungstisch zu bringen und dem Putsch offensiv entgegen zu wirken. Am 9. September empfängt er die Generäle Pinochet und Ubina, um sie davon zu errichten, dass er am nächsten Tag zur Volksabstimmung aufrufen würde.

„Das war am Sonntag. Auf Bitten der beiden Generäle verschob der Präsident die Ausrufung des Plebiszits von Montag auf Mittwoch. Wir haben es nicht mehr geschafft bis zum Mittwoch. Denn zwischen Montag und Mittwoch gab es den Dienstag.“ (Carlos Jorquera)

Auf Drängen des Militärs verschiebt Allende sein Vorhaben um zwei Tage. In den frühen Morgenstunden des 11. September 1973 beginnt der Putsch mit der Erhebung der Marine in Valparaíso. Allende wird freies Geleit in ein Exilland seiner Wahl angeboten. Wie man heute weiß, hätte er diese Reise nicht überlebt.

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