Touch The Sound

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Touch The Sound

Ein Film von Thomas Riedelsheimer

Zum Film

„Rhythmus ist Bewegung, Fließen, Veränderung, Erneuerung und Wiederholung. Unsere Erfahrung von Zeit basiert auf Rhythmus. Nichts existiert ohne Schwingungen, ohne Bewegung. Unsere Vorstellungen von Stabilität und Festigkeit sind Illusion. Alles bewegt sich, alles schwingt, von der Brücke aus Stahl und Beton bis zu den Energiefeldern der Atome. Wir erkennen und erfahren die Welt durch Schwingungen, durch Rhythmus – sogar Farben oszillieren in verschiedenen Frequenzen. Alles vibriert, alles ‘spricht’ – ein Universum des Klangs. Die Perkussionistin Evelyn Glennie lebt auf eine Weise in diesem Universum wie kaum jemand sonst. Touch The Sound will zusammen mit ihr in diese Welt des Klangs und der Rhythmen eintauchen.” Thomas Riedelsheimer

Den Klang berühren – so beschreibt Evelyn Glennie, als Solo-Perkussionistin ein Weltstar der klassischen Musik, das Hören. Nachdem sie in ihrer Kindheit ihr Gehör weitgehend verlor, hat sie gelernt, anders zu hören, den Körper als Resonanzraum zu nutzen, den Klang zu spüren. Regisseur Thomas Riedelsheimer und Evelyn Glennie begeben sich auf eine Expedition ins Innere dieser Klangwelten, die alle unsere Sinne fordert. Ausgehend von einer alten Fabrikhalle in Dormagen, wo Evelyn mit Fred Frith ihre erste CD mit improvisierter Musik aufnimmt, unternimmt der Film eine Reise um die Welt, nach Japan, Kalifornien, New York und Schottland. Gemeinsam mit Evelyn Glennie und ihren musikalischen Partnern tauchen wir ein in ein faszinierendes Universum, in dem wir beginnen, Bilder zu hören und Klänge zu sehen.

Der Ausgangspunkt der Klangreise sind die Geräusche, Klänge und Rhythmen, die uns im täglichen Leben umgeben, das Klackern der Kofferrollen auf einem gläsernen Flughafen-Deck, das Schwirren und Brummen der unendlichen Reihen von Klimaanlagen in den Häuserschluchten von New York, das Echo der Nebelhörner in Nordkalifornien, das Stimmengewirr in einer japanischen Kaufhalle. Von dort führt der Weg tiefer, zur Entstehung und den Ursprüngen des Klangs, zur Erkundung des Rhythmus als Grundlage jeder Lebensform; vom Atem zum Herzschlag, von der Stille zur Musik, vom Hören zum Sehen und zum Fühlen, von der Schwingung zur festen Materie.

Die Klangbilder, Rhythmen und akustischen Erinnerungen verweben sich mit den musikalischen Begegnungen Evelyn Glennies. Eine Jam Session mit dem legendären Drummer Horacio Hernandez auf dem Dach eines Wolkenkratzers in New York, die wilden Trommeln der japanischen Taiko-Gruppe Ondekoza, ein Duett mit der Steptänzerin Roxanne Butterfly, das faszinierende Zusammenspiel mit Fred Frith.

Wie schon in Rivers And Tides, seinem vielfach preisgekrönten Film über den Land Art-Künstler Andy Goldsworthy, durchbricht Thomas Riedelsheimer die konventionellen Kategorien der Wahrnehmung und die scheinbare Linearität der Zeit. Im Zusammenspiel der faszinierenden Bilder und der subtilen Tonspur wird Touch The Sound zu einer magischen Kinoreise von betörender Sinnlichkeit.

Pressestimmen

„Eine außergewöhnliche Bild- und Tonsymphonie, eine Dokumentation über das Sichtbarmachen von Musik und gleichzeitig das zärtliche Porträt einer modernen Musikerin. Das fein gesponnene Spiel von Ton, Bild und Realität wird zum berückenden Gesamtkunstwerk. Touch the Sound ist magisches Kino, voller Anmut und Atmosphäre, ein opulentes Fest für Auge und Ohr.“ BLICKPUNKT FILM

„Für den künstlerischen Höhepunkt in Locarno sorgte Thomas Riedelsheimer mit Touch The Sound... Allgegenwärtig sind in diesem Film Klänge. Musik mischt sich mit Straßenlärm, mit dem Geräusch von im Wind flatternden Fahnen, mit Meeresbrandung und Momenten der Stille. Der Rhythmus, in dem die furiose Tonspur mit bestechenden Landschaftsaufnahmen und behutsam eingebetteten Aussagen Glennies gemischt wird, lassen den Zuschauer tief in diese Welt der Klänge eintauchen und in ihr versinken. Mit geschärften Sinnesorganen verlässt man das Kino.“ ARTECHOCK MAGAZIN

„Ein Film fürs Kino, in sanftem Tempo, behutsam verführend und magisch... Riedelsheimers Dokumentarfilme erweitern in vielerlei Hinsicht die Werke der porträtierten Künstler. Er arbeitet mit ihnen wie ein naher, sorgfältiger und einfühlsamer Vertrauter, um ihre Praxis in einen neuen Raum zu stellen.“ SUNDAY HERALD

„Riedelsheimer findet frappante Bilder, um zu versinnbildlichen, was unsichtbar und für die meisten Menschen selbstverständlich hörbar ist. Touch The Sound öffnet auf wunderbare Weise die Augen fürs Hinhören. Und versetzt uns für 100 Minuten in jenen Zustand, den Fred Frith beschreibt als die kindliche Unschuld des freudigen Erstaunens, etwas wie zum ersten Mal zu hören.“ TAGBLATT, SCHWEIZ

„Thomas Riedelsheimers Protagonistin Evelyn Glennie sucht die Töne hinter den Tönen. Etwas, das unter der Oberfläche liegt. Genauso sucht Riedelsheimer Bilder hinter dem Augenschein der Dinge und versucht, das Unsichtbare oder Unbeachtete sichtbar zu machen. Es gelingt ihm, Evelyn Glennies Form der Wahrnehmung so in Bilder und Töne zu übersetzen, dass sie im Kinosaal nachvollziehbar wird. Riedelsheimer findet eine Vielfalt von Bildern, mit denen er die ausgefeilte Tonspur zu einem sinnlichen Ganzen verbindet. Touch The Sound ist ein Film über das Hören mit dem ganzen Körper.“ FILMBULLETIN

„Touch The Sound ist mehr als ein Dokumentarfilm, mehr als das Porträt einer Ausnahmemusikerin; der Film ist vielmehr der Versuch, die Welt der Klänge mit den visuellen Mitteln des Kinos zu entdecken. Faszinierend ist das Zusammentreffen zweier Künstler, von denen die Musikerin immer wieder mit ungewöhnlichen Instrumenten und gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen experimentiert und der Filmemacher mit gewagten, aber immer behutsamen Einstellungen und Kamerafahrten die exotischen Klangwelten wie eine fremde Landschaft erkundet. Wie schon in Rivers And Tides durchbricht Thomas Riedelsheimer die konventionellen Kategorien der Wahrnehmung und die scheinbare Linearität der Zeit.“ PROGRAMMKINO.DE

Regiestatement

Herzschlag

Die ersten Sinneseindrücke für einen Menschen sind wohl Vibrationen, Rhythmen und Töne, lange bevor das Auge erwacht. Das eigene Herz verbindet uns mit der Welt – es ist unser individueller Taktgeber. Sein Schlagen erzählt von uns und unseren Krankheiten, von Ängsten und Sehnsüchten. Sein Rhythmus ist die wichtigste Maßeinheit der Musik. Die Beziehung von Puls und Musik ist wechselseitig und vielschichtig. Musik kann heilen, deprimieren, entfesseln und „aus dem Herzen sprechen“. Unser Herz verlangsamt oder beschleunigt sich zum Rhthmus der Musik, die wir hören. Der Körper scheint sich mit den Schwingungen der Umwelt zu synchronisieren. Wir sind eingebettet in ein Universum von Zyklen und Rhythmen.

Zeit

Zeit wahrzunehmen und zu erleben heißt auf diese Rhythmen hören. Unser Zeitempfinden hatte seinen Ursprung im Erfassen der Wiederholungen und Erneuerungen in der Natur. Tag und Nacht, Sommer und Winter, Saat und Ernte. Puls und Atem. „Alles hat seine Zeit“, diese alte Weisheit wird immer mehr verdrängt von einer standardisierten, normierten „Einheitszeit“. Zeit ist nicht länger individuell erlebbar, zyklisch wiederkehrend, flexibel in ihrer Wahrnehmung. Vielmehr lassen wir uns in das Diktat einer mechanischen, „unnatürlichen“ Zeit pressen. Wir zählen einen gleichförmigen, linearen Countdown ab, immer das ultimative „zero“ vor Augen. Wir zerlegen das Leben in kleine Planquadrate mit gleich großen Abständen. Die Bauweise von U-Bahnhöfen oder Hausfassaden, die Mittelstreifen der Straßen – digitalisierte Bits und Beats, eine statische Architektur der Geschwindigkeit.

Hören

Seit Renaissance und Aufklärung steht der Mensch im Mittelpunkt der Welt. Die Malerei erfand die Zentralperspektive, die den Standpunkt von Subjekt und Objekt definierte und damit das individuelle Ego manifestierte. Das Auge wurde das Werkzeug, mit dem der moderne Mensch seine Umwelt wahrnahm und entdeckte. Die Wissenschaft orientierte sich am sichtbaren Beweis: „Ich glaube was ich sehe“. Die Errichtung unseres modernen Weltbildes hatte die Abwertung unseres Hörsinnes bis hin zur „Tyrannei des Auges“ zur Folge. Heute wird nicht mehr erzählt, sondern gedruckt und gelesen. Das „Aufeinander-Hören“ wurde abgelöst von einsamen Bildschirmbetrachtungen und Internet-Chats.

Die Wahrnehmung des Auges ist fokussiert, man kann es richten und schließen. Das Ohr hingegen ist ungerichtet, nicht verschließbar, in seiner ganzen Anlage umfassender. Hören scheint ein ganzheitlicher, ein integrierender Prozess zu sein. Vielleicht könnte man auch sagen, dass das Ohr absichtsloser arbeitet. Das Ohr scheint uns eher mit der Welt zu verbinden, während das Auge uns individualisiert. Das Spiel mit den Sinnen. Hören wir Blätter rauschen, auch wenn wir sie eigentlich nur sehen? Fühlen wir den Bach, den wir nur hören?

Ist Rot laut oder leise?

Jeder Klang ist ein Universum für sich. Der erste Schlag, das feine Timbre, der Nachhall. Der Übergang in die Stille und die Stille an sich. Der Klang der Stille. Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der eine so fein ausgeprägte Sensibilität für die Qualität von Klängen hat wie Evelyn. Wenn sie ihrem fast zwei Meter großen Tam-Tam einen über mehrere Minuten langsam anschwellenden Ton entlockt, der den ganzen Körper wie eine Flutwelle zu erfassen scheint, ist das ein elementares Erlebnis. Mit ihr würde ich gerne tiefer eintauchen, in das unwahrscheinlich reiche Universum, das die Welt der Klänge eröffnet.

Das filmische Konzept sieht vor, dokumentarische Szenen und freie Assoziationen mit interpretierenden Bildern und Tönen zu verbinden. Ich möchte weder ein philosophisches Filmessay noch den strengen Dokumentarstil eines cinema direct, keinen Kommentarfilm und keinen Konzertfilm. Ich möchte einen sinnlichen Film, einen Kinofilm. Einen Film über einen Menschen und seine Leidenschaft, die uns alle betrifft. Vielleicht im Sinne eines Surrealismus, der „hinter den Augenschein der Dinge“ sehen will. Das Auflösen von festen Formen in Schwingungen oder Spiegelungen, Sichtbarmachen von an sich unsichtbaren oder unbeachteten Rhythmen – eine sinnliche Reise in die Welt der Rhythmen und Klänge, mit einem visuellen Transportmittel.

Thomas Riedelsheimer, Oktober 2001

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