FRIEDENSSCHLAG

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FRIEDENSSCHLAG

Ein Film von Gerardo Milsztein

ZUM FILM

Dramatisch und bewegend erzählt FRIEDENSSCHLAG von einer Gruppe junger gewaltauffälliger Männer, die in dem einzigartigen Projekt der Work and Box Company vor der entscheidenden Herausforderung stehen: Endstation Knast oder das Einreißen aller Mauern, mit dem Ziel, sich selbst anzunehmen und nach totaler Abkapselung und extremer Aggression wieder Beziehungen und Nähe aufzubauen.

FRIEDENSSCHLAG ist ein packender, emotionaler und inspirierender Film über die Verwandlung zerstörerischer Kraft in schöpferische Energie, von Selbsthass in Selbstbewusstsein, vom Verdrängen der eigenen Vergangenheit in Verantwortung für das eigene Leben.

FRIEDENSSCHLAG setzt dem hilflosen Ruf nach mehr Härte und schärferen Gesetzen einen radikal anderen Ansatz entgegen: Mit Geduld und Aufmerksamkeit für jeden einzelnen dieser jungen Männer an die Wurzel des Problems zu gehen. Und das Wunder geschieht: Es gibt eine Alternative, einen Weg zurück ins Leben.

Zum Film

2002 gründeten Rupert Voss und Werner Makella in Taufkirchen bei München die Work and Box Company als Projekt zur Betreuung gewaltauffälliger männlicher Jugendlicher und junger Männer – für viele der Teilnehmer die letzte Alternative zum Knast. Ihre Methodik des Projekts basiert auf der individuellen Auseinandersetzung mit jedem Einzelnen, auf dem Verstehen der männlichen Psyche als Voraussetzung dafür, alte Verhaltensmuster aufzulösen und neue Handlungsfreiheit zu gewinnen. Work and Box: das sind die zwei wesentlichen Bausteine des Projektjahres: Die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Aufnahme einer Ausbildung oder einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt – einschließlich der aktiven Vermittlung in entsprechende Stelle – und das Boxen.

Der Boxkampf, mit dem sich fast alle Teilnehmer lange schwer tun, ist Handlungsfaden und zugleich Auslöser für die persönliche Entwicklung der Protagonisten. Beim Boxen erleben sie einen Prozess der Transformation. Sie beginnen damit, Kontakt zu sich selbst herzustellen, sie lernen die eigenen seelischen Verletzungen - den Kern - zu erkennen, und beginnen, mit sich und ihrer Geschichte Frieden zu schließen. Im Ring ist jeder Einzelne gezwungen, sich ehrlich und unverstellt zu zeigen. Trauer und Freude, stille Gewissheit, Verzweiflung und Hoffnung liegen nahe beieinander.

Ebenso ungewöhnlich wie die Methodik ist der Erfolg der „Work and Box Company“: Fast alle Teilnehmer stehen das Projektjahr durch, mehr als 80 Prozent der Jugendlichen finden im Anschluss an das Maßnahmenjahr eine Ausbildung oder Arbeitsstelle.
Für die meisten zum ersten Mal in ihrem Leben, werden die jungen Männer mit einem positiven Vaterbild und echter Autorität konfrontiert. Im „Jahr der Entscheidung“ zeigt sich, ob sie ihre letzte Chance annehmen, falsche Selbstbilder abstreifen und sich mit der Realität und damit ihrer eigenen Geschichte versöhnen. Ausweichen, kontern, attackieren, Verteidigung oder Rückzug?

Regisseur Gerardo Milsztein erzählt mit unbedingtem Respekt und großer Nähe zu seinen Protagonisten, authentisch und auf Augenhöhe. Wir erleben schier ausweglose Situationen – und erkennen, dass es immer noch Lösungswege gibt. Was sich in jeder Projektbeschreibung wie ein frommer Wunsch liest, macht FRIEDENSSCHLAG auf ungemein packende und emotionale Weise erlebbar: Um jeden einzelnen dieser von der Gesellschaft meist schon aufgegebenen jungen Männer lohnt es zu kämpfen. Es gibt einen Weg zurück ins Leben.

FRIEDENSSCHLAG

Mitwirkende: Eftal, Marco, Josef, Denis, Juan, Rupert Voss, Werner Makella u.v.a.

Regie und Kamera: Gerardo Milszstein; Ton: Robert Kellner; Schnitt: Thomas Grube, Barbara Toennieshen; Filmmusik: P:lot; Herstellungsleitung: Marc Wächter; Redaktion: Christian Baudissin
Ko-Produzent: Wolf Bosse; Produzenten: Uwe Dierks, Thomas Grube, Andrea Thilo

Eine Produktion von BoomtownMedia in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk und Telepool und in Koproduktion mit PICTORION – DAS WERK
Produktion gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg, FilmFernsehFonds Bayern, FFA

Im Verleih der Piffl Medien, Verleih gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg, FilmFernsehFonds Bayern, BKM, FFA

D 2010, 107 min., 35 mm, 1:1.85, Dolby Digital

Pressestimmen

Regiestatement

AUF AUGENHÖHE
EIN INTERVIEW MIT DEM REGISSEUR GERARDO MILSZTEIN



Wie ist Friedensschlag entstanden, was stand am Anfang Ihres Filmprojekts?

Als ich mit dem Filmemachen angefangen habe, habe ich mich gefragt, wie ich das mit gesellschaftlichen und sozialen Fragen verbinden kann. Und mein Wunsch war immer groß, einen künstlerischen Weg zu finden, um mit meiner eigenen Erfahrung, dem eigenen Schmerz in Kontakt zu kommen. Konkreter wurde das, als ich Ende der 90er Jahre bei einem Vortrag über Jugendgewalt war, den Thomas Krug vom Landratsamt München am Gymnasium meines ältesten Sohns hielt. Das hat mich interessiert, wir sind in Kontakt geblieben und haben zusammen zwei kleine Filme für Schulen gemacht.

Und irgendwann bekomme ich einen Anruf: Hallo, hier Rupert Voss, ich habe Ihre Telefonnummer von Thomas Krug bekommen, wir sind gerade dabei, ein Projekt zu gründen... Ich habe mich dann mit Rupert Voss und Werner Makella getroffen, und wir haben uns sofort verstanden. Ein Jahr später haben sie sich wieder gemeldet und gesagt: Vor zwei Monaten haben wir mit der Work and Box Company angefangen, nächstes Wochenende machen wir eine Bergtour mit den Jungs, hast du Lust mitzukommen? – Ich bin dann mit einem Kollegen zur Bergtour mitgegangen, wir haben gedreht – und danach wusste ich, dass ich einen Film darüber machen wollte.

Wenn Sie vom eigenen Schmerz sprechen: Haben Sie einen besonderen eigenen Bezug zum Thema Ihres Films?

Es ist nicht so, dass ich diesen Film machen wollte, weil ich eine verlorene Kindheit gehabt hätte. Im Gegenteil, ich wurde von meinen Eltern sehr geliebt. Es geht für mich um einen größeren Zusammenhang, um das Fortwirken in einer Familienlinie. Große oder kleine Dramen, die sich in der Familie abspielen, haben oft einen unbewussten Ursprung in der Vergangenheit dieser Familie. Bei mir zum Beispiel ist immer noch der Schmerz meiner Großeltern lebendig, die vor dem Zweiten Weltkrieg aus einem kleinen Shtetl in Polen nach Argentinien ausgewandert sind. Der Holocaust hat sie gezwungen, in Buenos Aires zu bleiben, und dort mussten sie erfahren, dass ihre ganze Familie ums Leben gekommen war. Das veränderte das Leben und das Gemüt meines Großvaters radikal. Ein extrem tiefer Gruppen-Schmerz, der mich immer noch begleitet, obwohl ich 30 Jahre später geboren bin.

Seit meiner Kindheit habe ich mich gefragt, wer ich bin. Bin ich der, der durch die Familiengeschichte bestimmt ist, oder kann ich mich jemals als frei von der Konditionierung meiner Herkunftsfamilie betrachten? Das war mir alles schon in dem Moment bewusst, als ich zum ersten Mal mit Werner und Rupert gesprochen habe und sie mir erklärt haben, wie sie vorgehen und wie sie auf systemischer Ebene arbeiten. Das waren alles Dinge, die ich selbst erfahren hatte. Und die extrem filmisch für mich sind.

Dazu kommt, dass ich in Argentinien aufgewachsen bin, während der Militärdiktatur. 20 Jahre lang habe ich Repression, sozialen Betrug, Mord, das Verschwinden von Menschen in meinem Land miterlebt. Ich habe gelernt, darüber zu reflektieren und mit diesem Schmerz aus meiner Jugend umzugehen, so gut ich kann. Es ist nicht leicht, mit den Traumata der Vergangenheit zurecht zu kommen, aus unseren oder aus früheren Generationen. Als Filmemacher möchte ich das in meiner Arbeit ausdrücken. Für Friedensschlag bedeutet das: Weil ich weiß, wie sich Familiengeschichte in einem auswirkt und wie ohnmächtig man oft gegen diese Vergangenheit ist, ist der Film für mich auch ein Versuch, etwas für diese Jungs zu tun. Weil sie die Gewalt am eigenen Leib erleben und selbst ausüben, aber nicht über die Werkzeuge verfügen, um das zu verarbeiten.

War es schwer, die Finanzierung für Friedensschlag zu finden?

Mit dem Material von dem ersten Recherche-Dreh bei der Bergtour und einem ersten Exposee bin ich erstmal auf die Suche nach Fernsehsendern gegangen. Ich hatte damals schon über 40 Filme als Kameramann gemacht, auch Kinofilme, aber es hat trotzdem nicht geklappt. In der Phase hatte ich den Plan: Bitte, Work and Box, kauft mir eine kleine Kamera, besorgt mir einen Schnittplatz, und ich mache das, als Hobby. Ich wollte diesen Film unbedingt machen. Auch weil ich gesehen habe, dass in der Entwicklung der Protagonisten die Möglichkeit eines griechischen Dramas liegt. Da sind Jungs, die unglaublich hart drauf sind und die ... die zu Gold werden können. Das ist ein Transformationsprozess, der da stattfinden kann, eine dramatische Entwicklung wie in einem Spielfilm.

2005 habe ich Christian Baudissin vom BR getroffen und ihm vom Projekt erzählt. Er hat das Exposee gelesen, das Material gesehen und gesagt, ja, wir machen mit, aber such dir einen Produzenten. Schließlich waren es dann die Leute von Work and Box, die mich auf Boomtown Media hingewiesen haben. Nachdem ich Rhythm is it! gesehen hatte, wusste ich, dass ich mit Boomtown die besten Produzenten für meinen Film gefunden hatte.

Hatten Sie geplant, ein ganzes Projektjahr filmisch zu begleiten?

Für mich war klar, dass ich diese 10 Monate brauche. Ich habe 60 Drehtage kalkuliert, damit ich mindestens ein bis zweimal in der Woche zum Projekt und zu den Jungs kommen kann. Es war klar, dass wir im vorhinein nicht wissen können, wann was passiert, dass das ein bisschen wie Lottospielen sein würde. Die Produzenten haben das verstanden, und ich habe meine 60 Drehtage bekommen. Ich hatte auch eine kleine HD-Kamera dabei, mit der ich spontaner und ganz alleine drehen konnte. Deswegen habe ich manche Situationen spontan „erwischt“, z.B. die entscheidende Szene mit Eftal. Ich bin morgens aufgestanden und hatte den starken Impuls, zu Work and Box zu gehen. Ich kam an, und plötzlich geht es los, Eftal fängt an zu schreien, Jürgen und Werner reagieren... Es war kein regulärer Drehtag, mein Tonmann war nicht dabei, und ich hatte nur die kleine Kamera mit einem Speicherchip von 30 Minuten. Aber so habe ich eine der Schlüsselszenen des Films erwischt.

Wie groß war Ihr Team, wie war die Aufgabenverteilung?

Es gab meine Mitarbeiterin Gudrun Friedrich, die ich bei Work and Box kennengelernt hatte, als sie für einen eigenen Fernsehbeitrag recherchierte. Sie war mehr als eine Regieassistentin. Zusammen mit Boomtown war sie die organisatorisch-strukturierende Kraft. Sie hat viele gute Kontakte zu Behörden mitgebracht, z.B. zur Polizei, wodurch das Drehen im Knast möglich wurde. Wir haben uns auch in der Kommunikation mit den Jungs ergänzt und abgewechselt, ich mit der Kamera auf der Schulter und Gudrun mit ihrer „mütterlichen Energie“ gegenüber den Jungs.

Ganz entscheidend war mein Tonmann Robert Kellner. Für uns war klar, dass wir fürs Kino und mit manchmal 10 Protagonisten im Raum niemals mit zwei Tonspuren hinkommen würden, sondern dass wir einen 6-Kanal-Ton brauchen würden. Robert hat ein eigenes System ausgetüftelt, das beim Drehen eine große Freiheit ermöglicht und mit dem man am Ende Bild und Ton automatisch synchronsieren kann – was sehr wichtig ist bei der Menge an Material, die wir gedreht haben. Dazu kamen wechselnd Leute, mit denen ich schon lange zusammenarbeite, für die zweite Kamera oder Kameraassistenz, wie René Liebig oder Oliver Sachs. Und, ganz wichtig, Rafael Kucab war fast immer als Praktikant dabei. Rafael war selbst mal Teilnehmer bei Work and Box und hatte einen ganz eigenen Draht zu den Leuten dort.

Hatten Sie vor Drehbeginn bereits einige der Protagonisten ausgewählt?

Nein. Wir hatten die Abmachung mit Work and Box, dass wir in dem Moment anfangen, in dem sie mit dem Projekt anfangen. Wenn man dann in die erste Runde kommt und die Jungs zum ersten Mal sieht, entwickelt man ein Gefühl. Dass Denis und Josef als Freundespaar zu den Protagonisten gehören würden, war gleich klar, auch Marco mit seiner besonderen Ausstrahlung. Und natürlich Eftal, der eine ganz starke Präsenz hatte und sich auf eine besondere Weise in der Kamera gezeigt hat – indem er sich nämlich entzogen hat. Das hat man schon am ersten Tag gesehen, er war irgendwie innerlich distanziert, und trotzdem war er neugierig, war er schon in Verbindung mit uns.

Aber es war auch klar, dass wir die endgültige Auswahl erst am Ende des Projektjahrs treffen können. Wonach ich gesucht habe, war Ehrlichkeit; der Moment, in dem einer zeigt, wie und wer er ist. Wir wussten kaum im Voraus, was mit den Jungs passieren würde. Wir hatten regelmäßig nach jedem Drehtag ausführliche Auswertungen, auch um den emotionalen Input für uns zu verarbeiten – zumal die persönliche Verbindung zu den Jungs und zu ihrer individuellen Problematik immer intensiver wurde. Das ging unter die Haut.

Wie haben die Teilnehmer auf das Filmprojekt reagiert?

Das Filmen war in diesem Jahr sozusagen ein integrierter Teil des Projekts. Ich habe bei der Vorstellung gesagt: „Ich will diesen Film machen, und ich weiß, dass das von allen Beteiligten viel Mut erfordert. Ich will das machen, weil ihr an einen Punkt gekommen seid, wo es so nicht mehr weitergeht für euch, und weil immer mehr Jungs da landen, wo ihr jetzt seid. Und der Film kann vielleicht dabei helfen, das zu verhindern.“ Und dann habe ich gefragt, ob jemand etwas dagegen hat. Niemand hatte etwas dagegen. Man sieht das im Material: Sie haben von Anfang an mitgemacht, kaum einer hat in die Kamera geschaut.

Dass diese Nähe von Anfang da war, hat mich selbst erstaunt. Ich glaube, das liegt daran, dass die Jungs nicht scheu sind. Sie haben kein Problem, sich zu zeigen, wie sie sind. Die Qualität, die sie haben, ist Ehrlichkeit. Und ihre Anti-Qualität, sozusagen, ist: Sie schauen in die falsche Richtung, in die dunkle Seite in sich. Das Ziel von Work and Box ist, dass sie sich drehen, dass sie die Perspektive wechseln. Auf dieser Ebene habe ich mit den Jungs gesprochen und ihnen gesagt: Du interessierst mich nicht, wie du dich zeigst, ich bin daran interessiert, wie du bist.

Ihr Film zeigt Situationen, in denen sich die Aggression bei einigen Teilnehmern ziemlich heftig entlädt. Haben sich solche Aggressionen manchmal auch gegen Sie und das Filmteam gerichtet?

Es gab Momente, wo wir bei laufender Kamera angemacht wurden: Ah, dieses Scheiß-Filmteam, was soll das? In solchen Momenten habe ich die Kamera abgesetzt und gesagt, okay, lass uns reden, wo ist dein Problem? Ich bin die ganze Zeit in der Haltung geblieben, die ich ihnen am Anfang erklärt hatte: Ich bin Gerardo und mache diesen Film aus bestimmten Gründen, machst du mit? Das war die Haltung, mit der ich sie erreichen konnte; die einzige, weil sie eben auch ehrlich war.

Es gab eine einzige Situation, in der es heftiger wurde, in der Szene mit Juan. Da hat mich der Josef gerettet. Das war eine Situation, bei der ich das Gefühl hatte, dass die Leute von Work and Box diesen Ausbruch vorbereitet hatten. Weil sie eine Situation brauchen, in der der Junge wirklich für sich selber fühlt, wie es in ihm brennt. Erst in dem Moment, wo er diesen Kontakt mit seinem Gewaltpotential hat, kann ihm der Teil in ihm, der so verschüttet ist, sagen: So will ich nicht weitermachen. In diesem Moment kommt der Hilferuf – und für diesen entscheidenden Moment haben sie bei Work and Box alle Tools zur Verfügung. Sie brauchen diesen Moment. Und in so einer Situation bin ich dem Juan mit der Kamera gefolgt, und ich habe gewusst, ich gehe ihm wirklich auf den Keks. Plötzlich dreht er sich um und will in die Kamera schlagen. Dann kommt der Josef und packt ihn von hinten, und Juan geht weg. Wobei ich die ganze Zeit wusste, dass mir nichts passieren würde. Ich wusste, wie weit ich gehen kann.

Durften Sie mit der Kamera überall dabei sein?

Grundsätzlich durfte ich überall dabei sein. Es gab Momente, wo mir die Betreuer gesagt haben, wir werden mit dem oder dem sprechen, aber das ist jetzt privat. Es gab auch Situationen, da waren wir auf Abstand und haben z.B. von außen durch ein Fenster gedreht, was durch Roberts System mit dem externen Ton möglich war. Aber wenn es um eine absolut private Ebene ging, habe ich das immer respektiert. Es gab immer eine Grenze, und ich habe nie vergessen, dass ich als Gast dabei war.

Mit welchem Bildkonzept sind Sie an die filmische Umsetzung von Friedensschlag gegangen?

Das Spannendste war für mich: Wann und wie findet die Veränderung der Perspektive bei den Protagonisten statt? Und die filmische Frage war: Wie kann ich diesen Moment der Veränderung darstellen, etwas, das im Inneren stattfindet, das unsichtbar ist? Eine Strategie dabei, den Verlauf der Jahreszeiten aufzugreifen, also etwas, was im Projektjahr von selbst kommen würde. Die Jahreszeiten markieren so etwas wie den Verlauf der Veränderung, den die Jungs nehmen, und über den Wechsel der Jahreszeiten versuchen wir, diesen Verlauf darzustellen.

Ein andere wesentliche Frage war: Wie kann ich aus einem dokumentarischen Geschehen heraus, das von einem Heilungsprozess handelt, beim Zuschauer ständig die Frage entstehen lassen: Sehen wir da gerade einen Dokumentarfilm oder einen Spielfilm? Meine eigene Filmhaltung war: Ich bin der Regisseur und Kameramann eines Spielfilms. Meine Schauspieler sind diese echten Menschen, und das Drehbuch ist noch nicht geschrieben. Und die Frage war: Wie kann ich die Bilder machen, die ein Spielfilmgefühl vermitteln?

Ich wollte im Verlauf des Films eine Entwicklung im Bild haben. Am Anfang sind die Bilder eher verspielt, es gibt immer etwas im Vordergrund, eine Fensterscheibe, Laub, Zweige, die Reflexe in den Scheiben. Es gibt immer eine Distanz. Und ich habe bewusst mit langen Brennweiten gearbeitet. Ich wollte kameratechnisch zuerst einmal im Schutz der Gegenstände sein und nicht zu nah an die Jungs rangehen. Und ich wollte den Zuschauer am Anfang irritieren, indem ich es ihm schwer mache, eine klare Definition zu haben: Wer sind diese Jungs? Die Fallhöhe ihrer Entwicklung sollte am Schluss ästhetisch darstellbar sein. Die zweite Phase der Bildgestaltung war dann, in den „freien flow“ zu gehen. Ich wusste, dass die Jungs mich und das Team irgendwann vergessen würden, so dass ich ganz nah dran sein konnte – dann ist es ihnen völlig egal, weil wir ein Teil der Situation geworden sind. Dieser „freie flow“ macht die große Mitte des Films aus. Und die dritte Phase war: Struktur. Kein Vordergrund, Stativ, wo es möglich ist, strukturierte Bilder.

Wie ist die Idee der Black Box-Interviews mit den Protagonisten entstanden?

Das war eine andere wichtige Überlegung: Wie kann ich eine nicht-dokumentarische Ebene auf der Interview-Ebene herstellen? Und so bin ich auf die Black Box-Situation gekommen. Ich wollte, dass die Jungs direkt mit den Zuschauern sprechen, damit sich ihre Ehrlichkeit in diesem geschützen Raum dem Zuschauer direkt, von Auge zu Auge vermittelt. Dazu habe ich eine Technik benutzt, die auf Spiegeln basiert, in denen sich mein Bild reflektierte. So haben die Jungs mit mir gesprochen, nicht mit der Kamera. Die grafische Gestaltung der Black Box war übrigens Sache der Jungs, das war eine Gruppenarbeit. Ich hatte gesagt, dass ich als Hintergrund eine Art Graffiti-Wand wollte, mit einer hellen und einer dunklen Seite. Die Schreinerei von Work and Box hat die Wand gebaut, und die Jungs haben das entworfen und gesprüht. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass es ihnen Spaß macht. Und dass es gut ist, wenn sie in den Raum mit dieser Wand kommen, die sie selber gemacht haben.

Die Black Box blieb dann ein paar Monate stehen, weil ich nicht wusste, wann ich die Jungs da rein kriege. Irgendwann kam dann der Eftal, und ich habe gesehen, dass es großartig funktioniert! Das hat mir eine große Sicherheit gegeben. Und weil Eftal es gemacht hatte, konnte ich Denis und Josef auch davon überzeugen, dann kamen die nächsten.... Und andere habe ich überhaupt nicht reingekriegt.

Sie konzentrieren sich in Ihrem Film auf die männliche Seite, nur die Mütter durchbrechen diese Setzung. War das eine bewusste Entscheidung?

Es gab eine Situation, wo zufällig die Exfreundin eines der Protagonisten zusammen mit einem anderen Mädchen zu Work and Box gekommen ist. Aber ich hatte das Gefühl, das passt nicht in den Film. Das wäre ein anderer Film geworden. Mein Fokus war: Wie entdecken oder überwinden sie ihre Konditionierungen? Und diese Konditionierung ist vor allem die Gewalt. Es war ganz wichtig, dass ich die Jungs in einer Ich-profiliere-mich-nicht-Haltung erwische. Das fängt ja schon zu kippen an, wenn Josef durch sein Revier läuft und wir mit der Kamera dabei sind.

Die einzigen Frauen, die für mich im Film vorkommen sollten, waren die Mütter. Es geht um die Familiengewalt, mit denen diese Jungs aufwachsen und leben müssen. Familie bedeutet erst einmal die Eltern. Ich hatte versucht, die Väter zu kontaktieren, mit einigen habe ich auch gesprochen. Aber das hat zu nichts geführt. Sie waren auch nicht bereit, vor der Kamera zu sprechen. Die Mütter waren dagegen dankbar, dass sie endlich einmal reden konnten. Das sind sehr starke Frauen, die an ihren Söhne manchmal verzweifeln.

Friedensschlag erzählt sich stark über Körperlichkeit, über Körperhaltung. War Ihnen das von Anfang an bewusst?

Ich war selbst überrascht, wie körperlich diese Jungs sind. Das wurde mir erst klar, als wir mit den Dreharbeiten angefangen haben. Es gibt ja auch diesen absoluten Respekt der körperlichen Grenze, den die Leute von Work and Box im normalen Umgang mit den Jungs haben – und auf der anderen Seite die bewusste Verletzung der Grenze, wenn sie boxen. Das ist ganz klar: Wenn ich mit dir boxe, dann fasse ich dich an. Das ist das, was der Rupert zum Juan sagt, wenn sie am Anfang boxen: Fass mich an, fass mich an! Es geht sogar um das Risiko, sich zu verletzen, in einem geschützten Rahmen. Das ist wirklich entscheidend bei dieser Arbeit: Die körperliche Grenze wird absolut respektiert, das ist die Grundlage, um auf der emotionalen Ebene richtig ranzugehen. Und das Boxen ist die Arbeit, um körperlich werden zu können.

Ich denke, das hat jeder schon mal erlebt mit solchen Jungs, du läufst auf der Straße, und es reicht ein Blick: und schon ist die körperliche Grenze gesetzt. Und es braucht nur ganz wenig, dann geht die Schlägerei los. Der Körperkontakt ist absolut heikel für die Jungs, noch dazu, wenn ein Mann sie anfasst. Man fasst sich nur an, um sich zu schlagen; nur bei den engen Freunde ist das anders. Wenn du fremd bist und ein Mann, dann kommt sofort: Bist du schwul, willst du mich anmachen?

Sie haben fast 300 Stunden Material gedreht. Welche Herausforderung bedeutet das im Schnitt?

Als wir angefangen haben, das Material zu sichten, war die Drehphase noch nicht abgeschlossen. D.h. es war für mich noch schwierig, sofort die entsprechende Distanz zum Material zu finden. Als Regisseur und Kameramann hatte ich eine Verbindung zu jedem einzelnen Bild, und als Mensch zu jedem einzelnen der Protagonisten. Die erste Auswahl war deshalb nicht leicht. Zunächst haben wir uns drei Monate Zeit genommen, um das gesamte Material zu sichten und in einem Szenenkatalog zu ordnen. Danach haben wir entschieden, wer unsere Protagonisten sind. Das war dann relativ leicht, weil es sich beim Drehen schon herauskristallisiert hatte – schwieriger war es mit den Nebenprotagonisten, weil schlecht abzuschätzen war, wie viel Raum sie einnehmen könnten. Schließlich hatten wir 110 mögliche Szenen, mit denen wir den Film dramaturgisch bauen konnten, wobei die Entwicklung der Protagonisten an den Verlauf der Zeit, den Wechsel der Jahreszeiten angedockt war.

Ein dramaturgisches Problem, das sich gestellt hat, war das Verhältnis zwischen „Winner“ und „Looser“. Es war klar, dass Eftal der Winner ist. Aber wer ist der Looser? Es gab keinen „starken“ Looser, keinen Antagonisten. In unserem Fall steckt der Antagonist in jedem der Protagonisten, in seiner dunklen Seite. Wie zeigt man das? Das hat zu einem anderen dramaturgischen Konflikt geführt, nämlich der Darstellung der Work and Box Company. Wenn man von der negativen Seite der Jungs kommt, dann ist Work and Box eigentlich der Feind, der Antagonist. Aber für den Zuschauer ist es umgekehrt, da ist Work and Box die positive Kraft par excellence. Und dann ist die Frage: Entscheide ich mich für die Kraft der Work and Box oder entscheide ich mich für die Kraft der Jungs? In welcher Balance stehen sie?

Das war ein schwieriger Prozess, der lange gebraucht hat. Aber ich denke, dass wir letztlich die richtigen Szenen gefunden haben, um die Eckpunkte in der Entwicklung der Jungs zu zeigen. Und ich bin sehr froh, dass ich in diesem Prozess auf die Erfahrung von Leuten zählen konnte, die schon durch viele solcher Prozesse und Entscheidungen gegangen sind. Manche wunderschöne Szene mussten wir wegen der Gesamtdramaturgie opfern – und es ist brutal, sich selber schlachten zu müssen.

Wie sind Sie auf die Band P:lot für die Filmmusik gekommen?

Die Musik war von Anfang an Teil des Konzepts. Ich wollte Songs haben, die von der inneren Veränderung sprechen und aufgreifen, worum es in der Filmhandlung geht – und diese Songs dann in eigenen Blöcken einsetzen, ein bisschen clip-artig, auch um den Verlauf der Zeit zu verdeutlichen. Auf P:lot bin ich über einen Freund aus Chile gestoßen, einen Rockmusiker, dessen Sohn Schlagzeuger bei P:lot ist. Ich habe die Songs gehört und sofort gesagt: Wow, das ist es! Weil diese Musik, die Songs, diese Musiker ... Das sind eher intellektuelle Jungs, aber die haben eine Ehrlichkeit, die nicht alltäglich ist. Sie sind absolut authentisch. Und irgendwann war klar, dass sie nicht nur die Songs, sondern den ganzen Soundtrack machen würden.

Die Erfolgsquote der Work and Box Company ist ungewöhnlich hoch. Liegt das eher an der Methodik oder doch am Charisma der Macher?

Ich denke, was diese Menschen haben, ist nicht nur Charisma, sondern Selbsterkenntnis. Das ist die Basis ihres Systems. In dem Moment, wo sie nicht mehr in die Falle der eigenen Konditionierungen tappen, können sie so arbeiten, wie sie es tun. Dahinter steht für mich ein sozusagen „spiritueller“ Ansatz, nicht im esoterischen Sinn, sondern im Sinn von: wirklich an den menschlichen Kern zu kommen. Und dazu gehört, sich seine eigenen Konditionierungen klar zu machen und Strategien zu entwickeln, damit die Jungs ihre Konditionierungen bewusst erleben. Das Ausrasten von Juan ist dafür ein gutes Beispiel. Es geht immer um den Versuch, jeden einzelnen der Jungs an seine Grenze zu bringen, damit er sich selber sieht. Es gibt niemand, der von außen wertet und sagt: Du bist ein Arschloch, wenn du dich so verhältst ... Das ist die wirkliche Qualität von Work and Box: Sie geben den Jungs immer und in jedem Moment eine neue Chance. Sie sagen: Okay, du verhältst dich gerade wie ein Arschloch. Aber wir wissen, du bist mehr als das, was du gerade von dir gibst.

Friedensschlag hat einen überraschenden Effekt: Man hat plötzlich das Gefühl, dass das, was da verhandelt wird, nicht nur mit jungen Männern aus einem bestimmten sozialen Umfeld zu tun hat, sondern auch mit einem selbst.

Diese Jungs zeigen uns etwas, das wir selbst auch haben, aber nur schwer als Teil von uns selbst zulassen: einen bestimmten Umgang mit unseren Ängsten, Aggressionen, Frustrationen, unserem Schmerz und unserer Gewalt. Wenn ich in der Reibung mit mir selbst nicht ehrlich bin, spalte ich die Aggression, die Gewalt etc. ab und „dämonisiere“ sie in diesen Jungs – weil die eben alles auf eine Art ausleben, die sehr vordergründig ist; eine rein kulturbedingte Eigenschaft. Diese Jungs werden dann für mich „böse“, und ich bin es nicht. Man muss aber ernsthaft fragen, wo Gewalt in unserer Geschichte und Gesellschaft, in unserem eigenen Leben, in uns selbst vorhanden ist. Und wenn ich wirklich anfange, damit umzugehen und zu akzeptieren das ich es auch in mir trage, ohne Abspaltung, dann kann sich etwas in mir verändern. Das ist etwas, was die Jungs uns zeigen. Sie zeigen im Grunde: Mann, du hast es auch! Deswegen, glaube ich, sieht man den Film, und er berührt einen. Weil er vielleicht Punkte in der eigenen Verletzung berührt, mit denen man sich identifizieren kann.

In der filmischen Wirkung hat das damit zu tun, dass wir uns ständig an einer ästhetischen Grenze bewegen. Ist das jetzt echt oder ist es gespielt? Ich glaube, das ermöglicht es dem Zuschauer, ein bisschen Distanz und gleichzeitig Zeit zur Reflexion über sich selbst zu haben. Die persönliche Identifikation entsteht auch, weil man diese Jungs liebgewonnen hat und weil es eine filmische Identifikation gibt. Dann sind sie keine Feinde mehr, sondern Menschen, die leiden. Und wenn sie leiden, sind wir wieder auf der gleichen Augenhöhe – und in dem Moment sind wir wieder bei uns selbst. Ich weiß nicht, wie ich das genau ausdrücken soll. Aber ich bin sehr glücklich, dass es aufgegangen ist.


GERARDO MILSZTEIN



Geboren in Buenos Aires, Argentinien. Von 1981 bis 1983 Regiestudium an der Filmhochschule in Buenos Aires, anschließend weitere Ausbildung in den Bereichen Dramaturgie, Drehbuch und Theater. Seit 1990 arbeitet Gerardo Milsztein als freischaffender Kameramann und Regisseur in Deutschland. Zu seinen Arbeiten als Kameramann zählen u.a. „Unterwegs in die nächste Dimension“ (2002, Regie: Clemens Kuby), Bertram Verhaags vielfach preisgekrönter „Leben außer Kontrolle“ (2003), „Raoul Wallenberg – Eine Spurensuche“ (2003, Regie: Klaus Dexel), „When silence sings“ (2005) und „FFF: Fortefortissimo“ (2007) von Irina Goldstein sowie „Boom Boom City Grafenwöhr (2005, Regie: B. Wittenberg; Hauptpreis Grenz-Film-Festival 2006). 2007 gründete Gerardo Milsztein gemeinsam mit Carmen Eckhardt die Produktionsfirma SeeMore Film. Neben seiner Tätitgkeit als Kameramann und Regisseur unterrichtet er an der Filmhochschule München.


DIE WORK AND BOX COMPANY
ENTSTEHUNG, HINTERGRUND, METHODIK



Gewaltbereite Jugendliche bekommen in Deutschland viel punktuelle Aufmerksamkeit in den Medien und wenig konsequente Hilfe bei der Bewältigung ihrer Probleme. Projekte, die sie auf einen Weg aus der Gewalt begleiten, gibt es kaum. Die Work and Box Company vor den Toren Münchens ist eines der wenigen. Seit 2003 integriert sie jugendliche Mehrfachstraftäter erfolgreich in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt.

ZIELGRUPPE

Die Teilnehmer der Work and Box Company sind männliche gewaltbereite Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren. Gewaltbereit heißt: Sie versuchen jede Art von Konflikt mit Gewalt zu lösen. Zusammenstöße mit der Polizei, Gerichtsverfahren und Strafvollzug sind die Folgen. Den Delikten der Jugendlichen stehen ihre eigenen Traumatisierungen gegenüber: zerbrochene Familien, Ausgrenzung als Migranten der zweiten oder dritten Generation, Verwahrlosung, Misshandlung. Integration findet auf keiner Ebene statt. Und: 97 Prozent der Gewaltstraftäter waren oder sind selbst Gewaltopfer. Nach dem Scheitern in Schule, Ausbildung und anderen Jugendhilfemaßnahmen ist die Work and Box Company oft ihre letzte Chance, sich einen Platz in der Gesellschaft zu erobern.

TEAM

In der Work and Box Company bereitet ein Team aus Sozialpädagogen und Psychologen, Handwerksanleitern und Boxtrainern die Teilnehmer auf ein Leben innerhalb der Gesellschaft vor. Mit dabei: die beiden Ini-tiatoren Rupert Voß und Werner Makella. Voß, Schreinermeister und Unternehmer, bildet schon seit 20 Jahren in seinen Firmen Lehrlinge aus – immer bekommen bei ihm auch schwierige Jugendliche eine Chance. Für die „harten Fälle“ entwickelte er gemeinsam mit Makella das Konzept der Work and Box Company. Der systemische Familientherapeut Werner Makella ist auch der Leiter des Projekts.

METHODIK

Der Verlauf des Projekts ist für jeden Teilnehmer individualisiert. Im Überblick ergeben sich vier Phasen:

– die Phase der Konfrontation mit sich selbst, in der es für den Jugendlichen darum geht, im Projekt anzukommen und sich auf sie einzulassen;
– die Phase der Orientierung nach innen und außen, in der der Jugendliche an sich selbst und seinen Problemen arbeitet und persönliche und berufliche Perspektiven entwickelt;
– die Phase der Kontaktaufnahme nach außen mit Berufswahl, Bewerbung, Praktika, Vermittlung in den Arbeitsmarkt und der Erarbeitung einer sozialen Perspektive;
– die Phase der halbjährigen Nachbetreuung, in der die Integration stabilisiert wird und der Teilnehmer Beratung und Hilfestellung zu beruflichen und persönlichen Fragen erhält.

Im einzelnen sind folgende Elemente besonders wichtig:

›› Konzentrierter Kontakt: Boxen
Boxen bietet als therapeutisches Kontaktmedium die Möglichkeit, Verbindung mit den Jugendlichen aufzunehmen. Im Boxring finden faire Auseinandersetzungen eins zu eins statt. Der Boxanleiter stellt gezielt Situationen her, denen die Teilnehmer nicht ausweichen können. Hier zeigen sie sich, wie sie sind. Zugleich geschieht pädagogisch geführte Konfrontation, damit der Jugendliche in der Krise lernen kann, anders mit ihr umzugehen. In der Handlung des Boxens können die Jugendlichen vieles über sich selbst und den Umgang mit anderen erfahren und auch neue Verhaltensweisen ausprobieren.

›› Arbeit als Realitätserfahrung
In der Work and Box Company ist Arbeit Handlung und Auseinandersetzung. Daher geht es nicht in erster Linie darum, dass die Teilnehmer produktiv etwas herstellen. Entscheidend ist das praktische Tun, sich an Arbeit als solches gewöhnen, auch unbeliebte Aufgaben ausführen, z.B. das Putzen der Projekträume, eigene Fähigkeiten entdecken, etwas zu Ende führen, das Ergebnis als Erfolgerlebnis vor Augen haben, im Team zusammenarbeiten. Das alles sind wichtige Voraussetzungen für das spätere Arbeitsleben.

›› Therapeutische Hilfe
Der therapeutische Blickwinkel ist in der Arbeit der Work and Box Company immer präsent. Es gibt in dem Sinne keine Therapie-Sitzungen. Vielmehr werden die Verletzungen der Jugendlichen, also die Ursachen ihres Verhaltens und ihrer Probleme, in allen Aktivitäten mitbedacht und mitbearbeitet: z.B. sich bei einem Elterngespräch der Realität der Vergangenheit stellen, im Praktikum eine Perspektive für die Zukunft erobern, im Boxring die blinde Wut überwinden oder bei einem Arbeitsauftrag Verantwortung übernehmen.

›› Schule: Blockaden überwinden
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer hat die Schule ohne Abschluss verlassen, nicht selten nach der 6., 7., 8. Klasse. Viele Versagenserfahrungen sind damit verbunden. So ist den meisten die theoretische Lernsituation als solche ein rotes Tuch. Mit individueller Unterstützung ist es trotzdem immer wieder möglich, die vormals als ‚unbeschulbar’ Eingestuften zum Nachholen des Hauptschulabschlusses zu motivieren und zu begleiten.

›› Vermittlung in Arbeit: wirtschaftliche Autonomie
Nach einem Jahr haben acht von zehn Teilnehmern des Projekts einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz in der freien Wirtschaft gefunden. In den vorangehenden Praktika können die Teilnehmer und der jeweilige Betrieb ihre Motivation und Eignung für diesen Beruf erproben. Grundlage der Vermittlung ist immer der intensive persönliche Kontakt zwischen dem Jugendlichen, seinem Vorgesetzten im Betrieb und seinen Betreuern in der Work and Box Company.

›› Nachbetreuung: langfristige Stabilisierung
Nicht jeder Jugendliche bleibt auf seiner ersten Stelle. Wenn es Probleme mit dem Betrieb gibt, unterstützt die Work and Box Company beide Seiten bei der Lösung. Dazu kann auch die Vermittlung einer neuen Stelle gehören oder Hilfestellung bei anderen Schwierigkeiten.

FINANZIERUNG

Die Work and Box Company wird vom Europäischen Sozialfonds, dem Jugendamt der Stadt München und dem Jugendamt des Landkreises München gefördert. Darüber hinaus werden jährlich 30.000 bis 40.000. Euro Spenden benötigt für Kosten die nicht öffentlich gefördert werden, z. B. Anschaffung und Unterhalt von Arbeitsmitteln – angefangen von Boxausstattung über Werkzeug und Maschinen bis zu Projektfahrzeugen, aber auch Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter und die gerade bei dieser Arbeit wichtige Supervision.

ZIELE

Ziel der Arbeit der Work and Box Company ist es:
– den Jugendlichen Wege aus der Gewalt und in ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu zeigen und ihnen immer wieder eine Chance zu geben, bis sie so weit sind, diese für sich zu nutzen.
– die Gesellschaft zu sensibilisieren für die Situation dieser jungen Menschen, für die Ursachen und die Lösungsperspektiven, den Frieden zwischen den sozialen Gruppen zu stärken und aktiv Gewalttaten zu verhindern.
– in Zukunft mehr gewaltbereiten, chancenlosen jungen Männern die Möglichkeit zu geben, ihren Weg in die Gesellschaft zu finden, und mehr Menschen als Fürsprecher, Partner und Sponsor für die Unterstützung dieser wichtigen Aufgabe zu motivieren.

Weitere ausführliche Informationen zur Arbeit und den Hintergründen der Work and Box Company unter www.hand-in.de

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